Auf der Haupttribüne des Essener Stadions herrscht freie Platzwahl. Die Sitze können es durchaus mit den Bundesliga-Stadien dieser Republik aufnehmen. Dennoch konnte sich Bernhard Trares mit seinem Platz für die Schlussviertelstunde nur zaghaft anfreunden. Zwar sollte der Schalker U23-Coach später artig das "schöne Stadion" und die "tolle Atmosphäre" in der Luxus-Arena der Regionalliga loben. Inmitten aufgepeitschter RWE-Anhänger Platz zu nehmen, darum durfte man ihn freilich nicht beneiden. Waldemar Wrobel hatte es da deutlich leichter, einen Ausguck unter Gleichgesinnten zu finden.
Schiedsrichter Christian Bandurski kommt zwar aus Essen, zog beim Derby zwischen den beiden Rivalen aber nicht den Verdacht auf sich, die Gäste zu übervorteilen. Erst schickte er Boné Uaferro nach einer Tätlichkeit in die Kabine (78.). Im Nachgang dieser Glanztat ließen sich die beiden Trainer auf ein ähnlich spaßiges, wenngleich von noch viel mehr Getöse begleitetes Tête-à-tête ein. Doch auch der Platzverweis der beiden Trainer änderte nichts am Spielverlauf. Nach schwacher erster Halbzeit hatten sich die Gäste in der Kabine zwar "noch mal eingeschworen", wie Trares berichtete. Jedoch mit überschauberem Erfolg. Trotz zahlreicher Standards fehlte den Aktionen der spielstarken Gäste die letzte Konsequenz, um den Essenern wenigstens einen Punkt abzuknöpfen. Erst Manuel Torres, der nach seiner Blitzheilung wieder zum Einsatz kam, schien den Schlüssel für die stabile RWE-Abwehr zu finden. Wenngleich nur auf Kosten zahlreicher Konter, die die Gastgeber aber aufreizend konsequent verschenkten. Die Quote der Hausherren vor dem Schalker Tor war regelrecht grausam.
Ein Glück für RWE, dass sie einen Kerim Avci Teil ihres Teams nennen dürfen. Der behielt die Nerven und vor allem die Zielstrebigkeit und belohnte seine Klasseleistung mit dem Tor des Tages (26.). RWE ließ gegen den Tabellenzweiten in den ersten 45 Minuten praktisch nichts zu und musste sich alleine vorwerfen, nicht schon vor der Pause Fakten geschaffen zu haben. Doch womöglich wäre den 7660 Zuschauern so die brisante und überaus unterhaltsame Schlussphase vorenthalten worden.
Trotz mangelhafter Chancenverwertung bleibt die Erkenntnis, dass Rot-Weiss Essen zurück zu alter Stärke gefunden und den Tabellenzweiten unterm Strich verdient geschlagen hat. "Spielerisch, dabei bleibe ich, ist das die beste Mannschaft in dieser Liga. Das hat man in Ansätzen auch gesehen", unterstrich Wrobel. Und wertete damit natürlich auch den Stellenwert dieses Erfolgs auf: RWE hat den Zweiten geschlagen! Das trifft sich gut: Genau dort wollen die Bergeborbecker am Ende selbst hin, soweit die inzwischen recht offizielle Sprachregelung. Wie viel Zeug die Essener dazu haben und was ihnen noch fehlt - Rot-Weiss führte beides vor. Die Luft ist aus dieser Saison noch nicht raus, doch ganz oben wird sie auch immer dünner.